Noch drei Tage bis zur Hochzeit

Martje van de Molen ging aufmerksam über den Gutshof. Im Gegensatz zu Henrick, der sich an einem Projekt festbiss, auch wenn es noch so schwierig war, hatte sie lieber einen Plan B in der Tasche.
Martjes Plan B war keineswegs das leere Feld neben dem Gutshof. Henricks Nichte und Geschäftspartnerin sah das größte touristische Potential im alten Gutshofgebäude.
Die hohen alten Zimmer, die vielen historischen Möbel - daraus konnte man wunderbar Hotelzimmer machen.

Natürlich - Eugen junior und senior wohnten auch dort und hatten sicher wenig Lust, auszuziehen.
Doch die Rechnung könnte durchaus aufgehen - wenn man für die Herren von Oegenbostel ein schönes neues Haus auf dem leeren Feld baute, mit allen technischen Annehmlichkeiten, die der Gutshof bisher vermissen ließ.

Doch das war Zukunftsmusik. Zunächst einmal musste die Hochzeit von Henner und Heidelinde über die Bühne gehen. Sie war die Basis für alle Projekte in dieser Gegend.
Martje war so in ihre Gedanken versunken, dass sie Eugen senior nicht gesehen hatte, der direkt auf sie zukam.
Mist, sicher wollte er wieder Namen aus Henricks Familie für den neuen Zweig des Oegenbosteler Stammbaums von ihr wissen.
Das war ein Risiko.

Sie musste ihn schnell auf ein anderes Thema bringen.
"Eugen, sag mal - gibt es in Eurem Gutshaus auch geheimnisvolle Kellerräume, die ich noch nicht kenne?"

Eugen lachte.
"Wir haben doch kein Spukschloss"
Er mochte die fröhliche energiegeladene Art der jungen Holländerin und besonders gern mochte er, wie Martje seinen Namen aussprach.
"Öschen von Öschenbostel"

Martje ging auf den Scherz mit dem Spukschloss ein.
"Aber einen Spukberg hast Du. Jedenfalls wenn man der Shiva glauben kann."

Eugen musste erneut lachen.
"Sie verdient gutes Geld mit dieser alten Seele. Diese Leichtgläubigen zahlen ihr die Miete. Da heiligt der Zweck die Mittel."

Martje wunderte sich, wie desinteressiert Eugen vielen Dingen gegenüberstand. Alles, was außerhalb seiner engsten Interessen stand, nahm er einfach gelassen hin.
Eine schrullige Heilerin, die einen Spukgeist im Berg erfunden hatte? Sollte sie doch. Ein Schwiegersohn, der auf ebendiesem Berg ein Hotel bauen wollte? Warum nicht, wenn es Heidelinde glücklich machte.

Doch wenn er eine neue Spur einer weit entfernten Ahnin fand, die ihm half, die Familie bis in das 11. Jahrhundert zurückverfolgen, dann erwachte er aus seiner Lethargie.
Dann konnte er sich mächtig aufregen, wenn man ihm nicht sofort Zugang zu alten Urkunden in weit entfernten Klöstern gab, die einen Beweis enthalten könnten.

Martje überlegte, wie sie sich Eugens scheinbaren Lebensinhalt, die Ahnenforschung, zunutze machen konnte, wenn der Moment kam, dass sie Plan B in Gang setzen müsste.
Henner hatte Heidelinde erobert - die Herren Eugen und Eugen-Eric hingegen waren ihre Aufgabe - dass hatte Henrick unmißverständlich klargemacht.

"Erzähl mir etwas über Deine Vorfahrin aus Holdenstedt, Eugen. Bist Du schon weitergekommen?"
Fröhlich hakte sie sich bei ihm unter und ließ die vielen Worte über sich ergehen, mit denen der Gutsherr seine Recherche nach einer Altfreien von Boldensen erläuterte.

Eugen war begeistert, wieviel Interesse Henners Cousine der Familiengeschichte derer von Oegenbostel entgegenbrachte.
Den künftigen Schwiegersohn fand er sympathisch, aber noch mehr mochte er diese patente junge Frau. Ob man sie vielleicht mit Eugen-Eric zusammenbringen könnte?
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