DER TAG DANACH - UND VIELE FRAGEN

BITTE SCHAUT ZUSÄTZLICH AUF JEDEN FALL DEN FILM - DARIN SIND DIE FRAGEN DER ERMITTLER ENTHALTEN MIT TEILWEISE ÜBERRASCHENDEN ERKENNTNISSEN

Nadine Neumann war ganz schön aufgeregt. Ihr erster eigener Fall - und dann hatte sich auch noch die Staatsanwältin angekündigt, an der Pressekonferenz teilzunehmen. Dr. Bernadette Baumgarte - Nadine bewunderte diese Frau und ihre strenge Coolness. 

Dazu noch der Bürgermeister und dann der neue Kollege, den Nadine für ziemlich unberechenbar hielt. Hoffentlich würde der nicht mittendrin anfangen, Plattdeutsch zu reden.

Vor Ort, am Rathaus der Wedemark, hatten sich außer der Presse auch einige Schaulustige versammelt. Klar, Heidelinde war ja nicht nur eine Wedemärker Adelige, sondern auch noch eine ziemlich bekannte Fernsehmoderatorin.

"Frau Neumann, in diesem Fall müssen Sie liefern, schnell liefern", raunte die Staatsanwältin ihr zu, bevor der Bürgermeister das Wort ergriff. "Und ich weiß: Sie schaffen das!"
Die junge Hauptkommissarin nickte nur. Sie musste das einfach schaffen. 

Der Bürgermeister setzte zu einer kurzen Einleitung an.
"Guten Tag, wir treffen uns hier an einem Tag, der für unsere ganze Gemeinde ein trauriger Tag ist. Ich möchte zunächst den Familien von Oegenbostel und Hoogestrat mein aufrichtiges Beileid aussprechen. Gute Besserung möchte ich Henner Hoogestrat wünschen, der nach dem Tod seiner Frau - nur zwei Stunden nach der Hochzeit zusammengebrochen ist und sich in stationärer Behandlung befindet. Ich darf sagen, dass ich, als Gast dieser Hochzeit, die so schön begonnen hatte, auch selbst noch immer etwas unter Schock stehe. Umso wichtiger ist, dass dieser Fall jetzt schnell aufgeklärt wird. Über den aktuellen Stand der Ermittlungen informieren uns nun Frau Dr. Baumgarte von der Staatsanwaltschaft und Frau Hauptkommissarin Neumann von der Kriminalapolizei."

Die Staatsanwältin übernahm und machte klar: Dieser Fall solle in den nächsten Tagen absolute Priorität haben.
"Wir müssen leider in Erwägung ziehen, dass sich der Täter oder die Täterin unter den Hochzeitsgästen befand. Da das Gelände auch von der Straße aus zugänglich war, können wir allerdings ebenfalls nicht ausschließen, dass der Täter oder die Täterin nicht unter den Hochzeitsgästen war. Eine schwierige Situation für unser Ermittlerteam - das möchte ich vorausschicken.
Die Ermittlungen habe ich Frau Hauptkommissarin Nadine Neumann übertragen, der ich mein vollstes Vertrauen schenke, dass eine schnelle Lösung des Falles möglich ist. Ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit auch unseren neuen 2. Hauptkommissar vorstellen, der gerade heute seinen Dienst in der Wedemark aufgenommen hat. Herr Jens Jansen hat durch seine jahrzehntelange Arbeit als leitender Hauptkommissar in Ostfriesland ebenfalls mein volles Vertrauen. Frau Neumann, würden Sie uns jetzt bitte erläutern, was wir bisher haben."

Nadine räusperte sich. Jetzt bloß nicht nervös werden.
"Guten Tag. Ich bin Nadine Neumann."
Schon während sie es sagte, ärgerte sich Nadine darüber. Schließlich hatte sie ein Namensschild vor sich stehen und Dr. Baumgarte hatte sie auch gerade vorgestellt. Schnell zum Fall übergehen, bevor es noch peinlicher wurde.

"Die Tote wurde als Heidelinde Hoogestrat identifiziert. Das wissen Sie ja bereits. Der Tod trat zwischen 16 Uhr und 16.15 Uhr ein. Die Todesursache war Strangulation mit einem Gegenstand aus Plastik. 

Nadine blickte nach rechts zur Staatsanwältin, die zustimmend nickte. Jetzt lief es und sie hatte sich warmgeredet.
"Wir haben umgehend, nachdem wir am Tatort eingetroffen sind, mit den Befragungen von Zeugen und Zeuginnen begonnen, dabei hat sich ein etwas diffuses Bild von Anschuldigungen ergeben, für die es bisher allerdings keine zwingenden Indizien gibt. Die Ermittlungen haben gerade begonnen, doch wir möchten Ihnen versichern, dass wir mit Hochdruck nach dem Täter oder der Täterin fahnden...."

Nadine wurde von einem Journalisten unterbrochen, der eine Frage dazwischenrief: "Was waren denn das für diffuse Anschuldigungen? Könnten Sie dazu mal etwas mehr sagen?"

"Herr Krabbe, Sie mal wieder", setzte Nadine schon leicht genervt zur Antwort an. Die Staatsanwältin schüttelte leicht den Kopf. Nadine verstand, dass Dr. Baumgarte wieder übernehmen wollte.

"Sie sind... Herr Krabbe, wenn ich meine Kollegin richtig verstanden habe? Ich möchte da gleich mal einhaken. Es ist nicht unser Ansinnen, Anschuldigungen zu verbreiten, die von Ihnen und Ihren Kollegen dann breit getreten werden für eine Sensationsstory. Wenn Sie ein seriöse Frage an uns haben - bitte! Aber erst, nachdem Frau Neumann alles berichtet hat, was wir zu diesem Zeitpunkt bereits sagen können. Sie verstehen?"

Der strenge Blick von Bernadette Baumgarte ließ auch Carlo Krabbe verstummen. "Die hat ja Haare auf den Zähnen", murmelte er hörbar.
"Bitte fahren Sie fort, Frau Neumann." Die Staatsanwältin blickte aufmunternd und Nadine gewann gleich an Selbstvertrauen.

"Vor allem braucht die KriminaLa-Polizei jetzt ihre Mithilfe. Nach den bisherigen Erkenntnissen handelt es sich bei der Tatwaffe um eine handelsübliche Wäscheleine der Marke Wäschefee.“ Nadine hielt ein Vergleichsstück in die Höhe. „Gefunden wurde die Tote im Eingang eines Wohnwagens holländischer Hochzeitsgäste, die auch das Fehlen ihrer Wäscheleine bemerkt haben. Die Tatwaffe konnte im Umfeld des Tatortes bisher nicht gefunden werden. Halten Sie bitte Ausschau danach - das könnte uns in diesem fall möglicherweise sehr weiterhelfen, falls der Täter oder die Täterin unvorsichtig war und die Fingerbadrücke nicht entfernt hat. Wir möchten aber auch alle Zaungäste und Schaulustigen der Hochzeit aufrufen, uns mitzuteilen, ob sie rund um den Amtshof etwas Auffälliges beobachtet haben. Für die Aufklärung des Falles ist eine Belohnung von der Familie von Oegenbostel ausgelobt worden. Näheres dazu erfahren Sie ebenfalls auf unserer Website.
Und jetzt können Sie, wenn die Frau Staatsanwältin nichts hinzufügen möchte, gern Ihre Fragen stellen."

Bernadette Baumgarte nickte und Nadine lehnte sich erleichtert zurück. Das war gut gegangen.
Allerdings erhob sich sofort der Journalist Krabbe vom Oegenbosteler Dorfboten wieder. Diesmal galt seine Frage dem Bürgermeister.

"Herr Zychlinski, nachdem die Frau Hoogestrat nun tot ist, wird ja sicher auch nichts mehr aus dem Hotelbau. Damit hat der Täter Ihnen ja auch ein Problem aus dem Weg geschafft, nicht wahr?"

Der Bürgermeister runzelt die Stirn und überlegte wohl kurz, ob diese Frage überhaupt einer Antwort würdig war.
Bernadette Baumgarte setzte sofort zur Antwort an.

"Herr Krabbe, ich hatte Sie um eine seriöse Frage gebeten. Sie erinnern sich - es ist ja erst wenige Minuten her. Einen Versuch gebe ich Ihnen noch. Diese absurde Frage jedenfalls werden wir nicht beantworten."

Der Bürgermeister hatte sich nun doch entschlossen, noch etwas zu sagen.
"Herr Krabbe, das Hotelprojekt auf dem Brelinger Berg hatte nie ein Chance, realisiert zu werden. Das wissen wir alle. Wir waren und sind jedoch mit Herrn Hoogestrat und Frau van de Molen in guten und konstruktiven Gesprächen für einen Alternativstandort außerhalb von Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten. Generell würden wir es begrüßen, wenn er als Investor eine touristische Attraktion für unsere Gemeinde erbauen würde. Nun habe ich Ihnen auf eine meines Erachtens bedenkliche Frage eine einfache Antwort gegeben. Ich hoffe, dass sich damit alles geklärt hat."

Bernadette Baumgarte nickte zustimmend.
"Danke, Herr Bürgermeister. Gibt es weitere Fragen?"

Werner Wieczokeit erhob sich. Nadine Neumann stöhnte. Jens Jansen murmelte freudig "oh, der Herr Wieczokeit!". Und Bernadette Baumgarte wartete gespannt, was es mit diesem offensichtlich vor Ort bekannten Journalisten auf sich hatte.

"Herr Bürgermeister, das stimmt doch gar nicht, dass dieses Hotel keine Chance hatte. Heute hätten doch eigentlich die Probegrabungen an der Höhe 92 beginnen sollen. Das war alles abgemacht - Sie wissen, ich bin da ein Insider. Nur durch den Tod von Heidi wurden die Grabungsarbeiten jetzt abgesagt...."

"Wieczokeit, wird das ne Ansprache oder haben Sie auch ne Frage?" Nadine Neumann wurde ungeduldig.
"Ja, jetzt die Frage. Sind dann nicht die Mitglieder der Bürgerinitiative höchst verdächtig? Haben die nicht gesagt, man müsse das Hotel mit allen Mitteln bekämpen? Diese Waldschützer zum Beispiel....."

"Da haben Sie zielgenau jemanden genannt, der es auf keinen Fall gewesen sein kann." Jens Jansen mischte sich zum ersten Mal in die Pressekonferenz ein. Der Securitymann, der die Waldschützer davon abhielt, auf den Amtshof zu kommen, hat bestätigt, dass aus dieser Gruppe niemand seinen Platz verlassen hat, bis die Tat geschehen war."

"Und wenn es ein Waldschützer war, der gar nicht mit demonstriert hat? Es gibt ja auch noch andere, da soll doch diese alte Seele auf dem Berg wohnen."
"Das ist nicht auszuschließen." Jens Jansen nickte. "Also nicht, dass eine alte Seele im Berg wohnt, sondern dass jemand mit der Tat den Wald schützen wollte. "

Bernadette Baumgarte übernahm nun wieder.
"Wenn keine sachdienlichen Fragen mehr auf Antwort warten, würde ich die Pressekonferenz gerne schließen. Sie können im Anschluss gern direkt Ihre Fragen an meine Kollegen und mich stellen. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Wir werden Sie kontinuierlich auf dem Laufenden halten. Herr Bürgermeister, möchten Sie nochmal?"

Helge Zychlinski ergriff zum Abschluss das Wort.
"Ich möchte alle anwesenden Pressevertreter herzlich bitten, bei ihrer Berichterstattung Rücksicht auf die Familein Hoogestrat und von Oegenbostel zu nehmen. Ich danke Ihnen dafür.“

Nadine Neumann war erstaunt, wieviele Pressevertreter sie anschließend noch mit Fragen bestürmten. Da Heidelinde von Oegenbostel Fernsehmoderatorin war, erwies sich dieser Fall auch als interessant für Boulevardjournalisten. Eine Reporterin der Illustrierten „Frau und Hund“ hatte Nadine auch noch nie bei einer Pressekonferenz erlebt.

Nadine Neumann hatte aber auch das Gefühl, dass einige der Fragenden gar keine Journalisten waren. Sie hatte schon ein paarmal erlebt, dass Hobbyermittler von den Pressekonferenzterminen im Internet Wind bekommen hatten und sich zwischen die Journalisten mischten. So schien es auch in diesem Fall.  
Ein team von Heidelindes fernsehsender hatte die Pressekonferenz komplett gefilmt und wollte sie in voller Länge am späten Abend senden. Die Hauptkommissarin freute sich darauf - besonders auf die Passagen, in denen der Wedemärker Bürgermeister den lästigen Krabbe zusammengestaucht hatte. „Sie, Herr Hummer..“ hatte er geschimpft und vom Investigativreporter als „die Languste“ geredet. Guter Mann, dieser Bürgermeister.

Nadine fuhr allein in das Büro zurück.
Es war in der Presskonferenz ein Satz gefallen, der ihr zu denken gab. Sie machte sich eine Notiz und klebte sie an den Bildschirm. Über diesen Ansatz durfte man nicht hinwegsehen. 
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