WIE EIN (TORF-)STICH INS HERZ

Jens Jansen fuhr am Moor-Informationszentrum vor.  So eine Fahrt über Land, die pustete den Kopf frei. Shiva Schuster hatte gern Auskunft gegeben, zu welcher Uhrzeit das Treffen von Eugen und Henrick stattfinden sollte.
Der Hauptkommissar war erstaunt, wer sich noch alles mit den beiden Herren rund um eine Karte des Moores tummelte. Die Holländerin - klar, sie wollte ja unbedingt ein Bauprojekt anschieben. Werner Wieczikeit! was machte denn der hier? Und der ältere Herr, das war doch dieser Kieswerksbesitzer! Wollte der jetzt in die Torfbranche wechseln?

Jansen machte sich nicht gleich bemerkbar sondern lauschte erstmal dem Gespräch.
„Also diese ganze Ecke, die gehört jetzt Deinem Jungen. Und da hinten auch nochmal 120 Hektar.“ Eugen zeigte auf ein Gebiet, in dem das Moor in freies Ackerland überging.

„Und da könnten wir vielleicht bauen?“ Henrick tippte auf die Ackerflächen.
„Das Schloss im Moor, so eine tolle Geschichte“, sagte Martje van de Molen. „Die gibt es ja sogar als Buch. Das hab ich mir geholt. Darauf können wir aufbauen!“

„Und vermarkten kann man das!“ Werner Wieczokeit mischte sich ein. „ich kann mir den Imagefilm schon richtig vorstellen!“

„Das Gelände sieht aus, als ob da Sand drunter wäre“, warf Kurt Kappenberg ein. „Um die Entsorgung müsst Ihr Euch nicht kümmern. Den Sand hole ich weg für Euch. Und dann machen wir rund um das Hotel eine schöne tiefe Wasserlandschaft!“

Jens Jansen gruselte es, der Gruppe zuzuhören. Heidelinde Hoogestrat war noch nicht unter der Erde, ihr Witwer lag noch immer im Krankenhaus nach seinem Nervenzusammenbruch am Sonntag. Und hier wurde das Fell des Bären schon zerteilt.

Er machte sich bemerkbar und wurde freundlich begrüßt.
„Lieber Herr Jansen! ich hoffe, Sie sind zu uns gekommen, um uns mitzuteilen, dass heute Ihre Ermittlungen…“

Jansen unterbrach ihn. „Nein, meine Herren - und Frau van de Molen. Wir haben den Täter noch nicht gefasst. Und ich bin ziemlich verwundert, was ich hier sehe. Ein neues Hotelprojekt? Auf Land, dass der junge Herr Hoogestrat von seiner Frau geerbt hat? Das finde ich jetzt aber mal verdächtig!“

Eugen von Oegenbostel antwortete entsetzt: „Aber Herr Kommissar! Die Familie Hoogestrat hat doch erst gestern erfahren, dass Heidi dieses Land besaß! Ich habe es Henrick gesagt.“

Jansen wandte sich Werner Wieczokeit zu: „Und darf ich fragen, was Sie hier machen, Herr Wieczokeit? Ist die Presse hier eingeladen?“
An Wieczokeits Stelle antwortete Martje van de Molen.
„Wir sind stolz darauf, dass Werner jetzt PR-Manager bei der HiHo Immobilien ist. Heute hat er den Vertrag unterschrieben!“

Werner Wieczokeit ergänzte: „Eine wunderbare neue Aufgabe! Und außerdem hat man die Serie „Zu Gast auf dem Gut nach Heidis Tod auch eingestellt. So wie damals „Landwirt sucht Liebling“, als der Hagen gestorben war.“

Wie dieser Wieczokeit in den letzten Tagen in der Gegend herumgeschnüffelt hatte, wie penetrant er dieser Holländerin am Rockzipfel hing. Und nun war er, weil man seine Serie eingestellt hatte, auch noch zu den Immobilienhaien gewechselt.

Seine nächste Frage galt jedoch Eugen:
"Wie kam Ihre Tochter eigentlich an so viel Land? Von wem hat sie es geerbt?"

"Von ihrer Urgroßmutter mütterlicherseits. Die hat ihr gesamtes Vermögen nicht ihrer einzigen Enkelin vererbt, sondern gleich ihrer Urenkelin. Das war ja eine tragische Geschichte. Meine ehemalige Frau ist in Chile geboren, ihre Eltern sind verunglückt, als sie noch klein war. Ein Jahr nach dem Tod ihrer Großmutter ist Eleonora dann ja auch wieder nach Chile gezogen...."

Jens Jansen wusste: Wenn Eugen von Oegenbostel mit Familien- und Ahnengeschichten anfing, hörte er so schnell nicht wieder auf. Darum unterbrach er den Gutsherrn.
"Und warum hat nicht ihre damalige Frau geerbt? Konnte sie nicht mit ihrer Oma?"

"Oh doch, die beiden waren ein Herz und eine Seele! Es ging da eher um Eric, der nichts bekommen sollte. Mein damalige Frau und ihre Großmutter fanden meine Schwiegertochter absolut nicht standesgemäß. Heidi hingegen hatte damals einen Grafen als Freund. Ich glaube, Eleonora hoffte, dass Heidi, mit viel Land ausgestattet, bessere Chancen hätte, in die gräfliche Familie einzuheiraten."

Was für arrogante Geschichten! Arbeitersohn Jens Jansen hatte zwar immer gern "Zu Gast auf dem Gut" geschaut - doch jetzt, wo er hinter adlige Fassaden schaute, waren ihm diese Leute nicht mehr sonderlich sympathisch.
"Und Ihre damalige Frau - die wollte das Moor selbst nicht haben?"

"Aber nein. Eleonora ist in Chile begütert! Ihrem Vater gehörten dort weite Landstriche. Dort wird sie es sich jetzt sicher gut gehen lassen."

"Und sie wollte nicht zur Hochzeit ihrer Tochter kommen? Sicher, weil es ein bürgerlicher Bräutigam war, oder?" ätzte Jens Jansen.

"Ich weiß es nicht. Wir haben nie wieder Kontakt gehabt. Ich gebe zu, ich habe Eleonora sehr verletzt damals mit meiner Affäre. Heidelinde hatte als einzige sporadisch Kontakt zu ihrer Mutter, per Email. Soweit ich weiß hat sie sich für Heidi gefreut."

"Meinst Du wirklich, der Drachen kann sich über irgendwas freuen?" Kurt Kappenberg mischte sich überraschend ein.

"Komm, lass sein, Kurt", wiegelte Eugen von Oegenbostel ab. "Ich war schuld am Scheitern der Ehe. Dazu muss ich stehen."

"Na, gut, dass Du sie dann in die Flucht geschlagen hast. Ich glaube, Nora vermisst hier keiner". Kurt Kappenberg legte nochmal nach.

Jens Jansen merkte, dass ihm das Gespräch schon wieder entglitt und kam auf das zurück, was er heute eigentlich erfahren wollte: "Mit dem Land Ihrer Schwiegertochter haben Sie also alles, was Sie brauchen, um in der Gegend zu bauen, Herr Hoogestrat? Hätte die lebendige Schwiegertochter dabei nicht vielleicht nur noch gestört? Vielleicht besonders Sie, Frau van de Molen?"

Henrick Hoogestrat nahm Martje in den Arm: "Meine Nichte und ich haben mit dem Mord nichts zu tun" bekräftigte er.

"Ach, lügen Sie doch nicht weiter. Wir wissen längst, dass Martje nicht ihre Nichte ist." Jens Jansen wurde jetzt sehr direkt.

"Nicht deine Nichte? Was sagt der Herr Kommissar da?" Eugen von Oegenbostel wandte sich irritiert zu Henrick und Martje um.

"Dann erklären Sie das mal dem Herrn von Oegenbostel", bemerkte Jansen und verabschiedete sich.
Er ließ eine Runde mit fragenden Blicken zurück. Diese ganzen Lügengebäude, die das holländische Trio aufgebaut hatte!

Die Behauptung, sie wüssten nichts von den geerbten Moorflächen - bewiesenermaßen falsch.
Die angebliche nahe Verwandtschaft von Martje und Henner - gelogen.
Dazu dieser Eric, der so aufbrausend sein konnte und irgendwie stets hinter seiner Schwester zurückstand. Und dann die Försterin, die ihre eigene Tochter in den Vordergrund schubsen wollte und die "Irre vom Berg", die für ihren Waldgeist Aron das Hotel verhindern wollte. Jansen war sicher, dass eine dieser Personen die Tat begangen hatte.
Doch wer?
Es fehlte noch das entscheidende Indiz, das eine der vier Personen verriet.
Jansens Telefon klingelte. Es war Nadine Neumann.
"Kollege, wir haben da was. Etwas ziemlich Komisches."
Jansen war gespannt.
Würde es jener Hinweis sein, den sie so dringend benötigten?
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